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Bericht über ein Interview mit dem Ehepaar Kostyran

Die Fragen stellte Elisabeth Staniek

  (Die Aufzeichnung erfolgte auf einer Videokassette. Der Originaltext litt unter technischen und anderen Zufälligkeiten. Der Bericht enthält umfangreiche, leicht redigierte Zitate und stützt sich auf ergänzende Angaben eines von Elisabeth Staniek verfaßten Protokolls. Herr Kostyran ist inzwischen verstorben.)

Beide Ehepartner stammten aus jetzt polnischen Gebieten; er (Jahrgang 1921) kam nach dem Krieg aus französischer Gefangenschaft nach Berlin, sie war Umsiedlerin. Geheiratet hatten sie bereits 1942. Von 1951 bis 1960 wohnten sie in einer Ladenwohnung in der Heidenfeldstraße, dann in einer Neubauwohnung, auch im Ostberliner Stadtbezirk Friedrichshain. Dem gelernten Bauschlosser gelang es schon früh, einen eigenen Betrieb zu gründen. Er berichtet:

 

Herr Kostyran: Ja, also, ich habe mich am 18. März 1951 selbständig gemacht und mit allen Schwierigkeiten des Anfangs zu tun gehabt. Ich habe meinen Betrieb in der Georgenkirch-Straße (Bezirk Mitte, sowjetischer Sektor) in einer Ruine aufgemacht, da hatten wir kein Dach drüber, es war nur noch ein Geschoß über uns, aber kein Dach drauf. Wenn es regnete, kam das Wasser durch. Am Anfang war eben alles schwer. Da hatten wir große Schwierigkeiten mit der Materialbeschaffung. Wir haben uns vom Magistrat solche Berechtigungsscheine geholt und konnten mit ihnen in die Ruinen gehen, altes Eisen zusammensuchen und mitnehmen, ungefähr 5-, 6-, 700 Kilogramm, alles auf Berechtigungsschein. Das Material mußte dann hergerichtet werden, war ja alles verbogen. An Aufträgen mangelte es nicht, die waren reichlich vorhanden. Berlin wurde aufgebaut. Als ich mich gerade selbständig gemacht hatte, wurde die Poliklinik Friedrichshain gebaut. Dadurch habe ich einen Haufen zu tun gehabt und habe drei Leute beschäftigt. Aber es war ein schwieriger Start.

Auf die Frage von Elisabeth Staniek nach seinen Erlebnissen am 17. Juni 1953 überlegt er lange, bis die Frau ihm einhilft:

 

Frau Kostyran: Da warst du in Fürstenwalde!

Herr Kostyran: Ja, da war ich gerade in Fürstenwalde. Da habe ich für den Kreisbaubetrieb gearbeitet und eine Besprechung mit dem Auftraggeber gehabt. Ich habe da zwar am Rande mitbekommen, daß irgend etwas los sein sollte ...

E. Staniek: Na ja, und als Sie dann kamen, war ja alles vorbei.

Herr Kostyran: Da war alles vorbei.

E. Staniek: Haben die Kollegen noch irgend etwas erzählt?

Herr Kostyran: Ich habe mich damit gar nicht beschäftigt weiter. Das ist am Rande vorbeigegangen.

 

Das Gespräch wendete sich nun der weiteren Entwicklung des Handwerksbetriebes zu:

 

Herr Kostyran: Also, ich habe die Daten nicht mehr so genau im Kopf. Fünf Jahre, nachdem ich selbständig wurde, also 1956, habe ich in Pankow unter besseren Bedingungen einen neuen Betrieb aufgemacht. Die alte Werkstatt in der Georgenkirchstraße, die Ruine, wurde abgerissen. In Pankow bin ich Kreisobermeister geworden und hatte die Oberhoheit über 84 Betriebe. Sie wurden gegeneinander verglichen und auch weiter ausgebaut.

E. Staniek: Als Sie Obermeister wurden, hat man Ihnen da die Bedingung gestellt, daß Sie in die SED oder in eine der Blockparteien eintreten sollten? Oder wie war das damals?

Herr Kostyran: Ich bin von vielen aufgefordert worden, in eine Partei einzutreten. Ich tat es nicht, weil ich ein ziemlich unpolitischer Mensch bin. Ich weiß, was Politik für eine Bedeutung hat, was sie für Probleme mit sich bringt. Ich hatte mit meinem Betrieb genug zu tun und wollte mich nicht zusätzlich belasten.

E. Staniek: Haben Sie wegen Ihrer Ablehnung Schwierigkeiten gehabt?

Herr Kostyran: Nein, ich habe keine Schwierigkeiten gehabt, nachdem einmal bekannt geworden war, daß ich keiner Partei beitrete. Anfangs hatte ich mit der SPD sympathisiert. Als sie dann zur SED überging ...

E. Staniek: Das war ja schon 1946. Wie ging es nun weiter? Wo haben Sie denn überall gearbeitet?

Herr Kostyran: Unsere Hauptaufträge hatten wir in Buch, in den Krankenhäusern. Dort haben wir Fenster und Türen gemacht. Auch in Feierabendheimen.

E. Staniek: In welchen der Krankenhäuser?

Herr Kostyran: Ich hatte es in Buch mit der Bauleitung zu tun, die hat uns die Aufträge zugewiesen. Viel Arbeit gab es im Krebsforschungsinstitut. Und dann waren wir auch im Regierungskrankenhaus und haben alle Räume dort betreten dürfen. Aber es war immer ein Wachposten dabei. Wenn jemand von meinen Leuten dort arbeitete, mußte ein Wachposten ihn begleiten.

E. Staniek: Sie arbeiteten auch außerhalb Berlins. Ihre Frau sagte etwas von Japanern?

Herr Kostyran: Ja, das war in Dresden. Die Japaner bauten ein Hotel, und wir haben dort die Schauvitrinen, Fenster und Türen gemacht.

E. Staniek: Sie waren Schlosser - aber das sind doch auch Holzarbeiten?

Herr Kostyran: Nein, nein. Bei uns war alles aus Metall, Aluminium.

E. Staniek: Das waren also Ihre wichtigsten Arbeitsstellen. Sind Sie denn immer ordentlich bezahlt worden oder gab es auch Säumige?

Herr Kostyran: Säumige waren kaum der Rede wert. Und wenn einer ein bißchen säumig wurde, genügte meist ein Anruf und dann war das Geld schon da. In der Regel kam das Geld innerhalb von 14 Tagen.

E. Staniek: Es gab also eine gute Zahlungsmoral?

Herr Kostyran: Für alle Handwerker, die ich in meiner Berufspraxis kennengelernt habe, galt, daß sie genauso wie ich ihr Geld in 14 Tagen hatten. Auf diesem Gebiet hatten wir keine Sorgen. Sehr große Sorgen gab es bei der Materialbeschaffung. Und da hat man sich gewundert, daß es trotzdem immer noch klappte.

 

Das Gespräch wurde lockerer und bezog auch persönliche und familiäre Probleme ein.

 

E. Staniek: Konnten Sie denn von dem, was Sie verdient haben, gut leben oder gerade nur recht und schlecht?

Herr Kostyran: Wir konnten gut davon leben, kann man sagen.

Frau Kostyran: Und reisen!

Herr Kostyran: Auch reisen, ja.

E. Staniek: Darauf wollen wir noch eingehen. Aber zunächst: Sie sind doch evangelisch?

Herr Kostyran: Evangelisch, ja.

E. Staniek: Und haben Sie in der Kirche eine Aufgabe gehabt?

Herr Kostyran: Ja, als Kirchenältester und im Gemeinderat.

E. Staniek: Von der Kirche?

Herr Kostyran: Von der Kirche. In jeder Kirche gibt es einen Gemeinderat und einen Vorsitzenden davon.

E. Staniek: Und wie viele Jahre haben Sie das gemacht?

Herr Kostyran: 35 Jahre.

E. Staniek: Ehrenamtlich?

Herr Kostyran: Ehrenamtlich.

E. Staniek: Und hatten Sie deshalb als Obermeister keine Schwierigkeiten mit Partei- und Staatsfunktionären?

Herr Kostyran: Na ja, ich habe es offen bekannt, habe ein offenes Wort gesprochen mit den Leuten und nicht hinter dem Berg gehalten mit meiner Meinung. Ich habe immer Leute verabscheut, die ... die ...

Frau Kostyran:... unehrlich waren. Die haben auch geschimpft und gesagt, daß unser Sohn Westsender sieht, und du solltest unterschreiben, daß wir nicht Westfernsehen. Da habe ich gesagt: Das können Sie nicht verlangen, weil er auch sieht! Er sieht ja Lassie oder ... oder was für Kinder ist, und da sitze ich mit ihm! Dann sollte mein Mann auch unterschreiben, daß die Lehrlinge nicht sehen. Hat er gesagt: Das kann ich doch nicht machen, weil - ich sehe sie ja nur bei der Arbeit...

E. Staniek: Und haben Sie Schwierigkeiten gehabt, weil Sie sich geweigert haben? H./Fr.Kostyran: Nein ... nein!

Herr Kostyran: Man hat mich akzeptiert als einen Menschen, der seine ehrliche Meinung äußert und auch danach handelt.

Frau Kostyran: Aber man muß dazu sagen, daß wir ... den ersten Urlaub hat mein Mann gehabt zu unserer Silberhochzeit. Alle Beschäftigten haben immer Urlaub gehabt, mein Mann nie.

E. Staniek: Und warum nicht?

Herr Kostyran: Der Betrieb ließ das nicht zu. Den Betrieb ohne Aufsicht lassen - als Selbständiger?

Frau Kostyran: Wir haben 1942 geheiratet, und zu unserer Silberhochzeit hat mein Mann den ersten Urlaub gehabt - 1967. Und dann sind wir jedes Jahr gefahren, im Winter.

E. Staniek: Und wo sind Sie hingefahren?

Frau Kostyran: Zuerst, zur Silberhochzeit, das war Pamporovo, das war sehr schön. Da haben wir gesehen auch noch Plovdiv und die Hauptstadt, Sofia, von Bulgarien. Ja, dann waren wir in Varna und dann waren wir in Rußland, in Sotschi, in Jalta, ein paarmal in Moskau, am Baikalsee, in der Mongolei, in Vietnam, in Kuba und in Österreich. Da wollten wir gern hin. Eigentlich wollten wir nur nach Kuba und da haben sie uns gesagt: Fahren Sie doch, es wird sehr schön sein, und wenn Sie zurückkommen, vielleicht haben Sie dann im Briefkasten die Reise nach Österreich. Und so war es.

E. Staniek: Da sind Sie also als DDR-Bürger nach Österreich gefahren ...

Frau Kostyran: Ja, und es war sehr schön, sehr schön! Da war eine ganz kleine Gruppe, meistens waren das Direktoren von den großen Kombinaten, und wir haben ganz Österreich durchfahren. Und dann waren wir noch einmal in Kuba, das war sehr schön.

E. Staniek: Sie sind also nach Ihrer Silberhochzeit so gut wie jedes Jahr gereist?

Frau Kostyran: Ja, im Winter war das, immer im Winter.

E. Staniek: Und Ihr Geld hat dafür gereicht?

Frau Kostyran: Das hat gereicht. Wir haben einen Garten gehabt von 1.250 Quadratmeter, und davon hab’ ich immer meinen Urlaub fast bezahlt! Frühmorgens hatte ich schon 50 Pfund, also 25 Kilo Erdbeeren gepflückt und hingebracht, bei uns war gleich dort eine Kaufhalle, und habe ich 4,20 Mark für ein Pfund bekommen. Von den Erdbeeren hab’ ich viel verkauft und dann haben wir auch gehabt Spargel. Ich hatte viel Arbeit, aber da braucht’ ich keine Steuern bezahlen, das war so vom Staate genehmigt. Und dann hab’ ich auch noch - das hat mir Spaß gemacht - wir hatten viel Dill und Petersilie, hab’ ich Bündchen von gemacht. Das war zwar 15 Pfennig nur, aber es kommt zusammen. Wenn man hundert gemacht hat von Dill und hundert von Petersilie - das ging mir dann schnell von der Hand, ich konnte so schnell binden, das war immer sehr schön.

E. Staniek: Also, das war noch neben Ihrer Hausarbeit.

Frau Kostyran: Ja. Im Sommer haben wir draußen gewohnt, und da ist mein Mann um halb sechs gefahren in die Arbeit, und ich ging in den Garten, und dabei habe ich das so verbracht. Es war sehr schön.

E. Staniek: Sie selbst waren nie berufstätig?

Frau Kostyran: Berufstätig - das war ich in Polen. Und dann hab’ ich meinem Mann auch gemacht - bis ich '81 einen Unfall hatte, hatte ja einen schweren Unfall gehabt mit dem Auto, aber jetzt nicht mehr Beschwerden - da hatt’ ich auch Löhne gemacht für meinen Mann und Rechnungen geschrieben. Aber dann war ich ja ein Vierteljahr im Krankenhaus, und da hat mein Mann denn eine Schreibmamsell gebracht. Die konnte er sich dann leisten, ja.

 

Die Rede kam nun auf den Sohn und auf komplizierte Gewissensfragen.

 

Frau Kostyran: Unser Sohn - ich bin ja katholisch - unser Sohn ging zur Kommunion, und dann sollte er auch zur Jugendweihe gehen, und da waren viele, die haben beides gemacht. Aber hab’ ich gesagt in der Schule zur Lehrerin: Wissen Sie was, ich kann doch nicht zwei Herren dienen! Und in der Kirche, was die da lernen aus der Bibel, ist auch nicht schlecht. Also schick’ ich ihn dort und nicht da! Aber ich erzieh’ ihn so, daß er sein Vaterland liebt, denn ich weiß, daß das gut ist, wenn man sich wohlfühlt. Dann soll er sich auch wohlfühlen hier und nicht dazu beitragen, wenn er zur Kirche geht, daß er anderes schlecht macht...

E. Staniek: Also keine Heuchelei?

Frau Kostyran: Nein. Ach, bei anderen Müttern waren sie fünfmal und haben gefleht für Jugendweihe. Sag’ ich denen: Bei mir war keiner!

E. Staniek: Es wurde also akzeptiert.

Frau Kostyran: Ja, weil die wußten, das war ehrlich gemeint.

Herr Kostyran: Ich bin sogar in den Elternbeirat gewählt worden, obwohl sie wußten, daß ich konfessionell gebunden war.

Frau Kostyran: Und unser Sohn hat dann gelernt im „7. Oktober“ mit Abitur und dann wurde er nach Magdeburg geschickt zum Maschinenbau.

Herr Kostyran: Delegiert.

Frau Kostyran: Delegiert zum Maschinenbau. Hat er dann da studiert und war der Beste. Und er war der einzige, der nicht organisiert war wieder. Hat er zu mir gesagt: Weißt du was, Mama, da hat mich der Professor gefragt: „Wieso konnten Sie denn hier überhaupt hin?“ Hat er geantwortet: Weiß ich nicht. Vielleicht wegen der Zensuren. Er war der Beste in Magdeburg.

 

Dann folgte wieder ein Ausflug in die Politik.

 

Herr Kostyran: Da habe ich mal eine Debatte gehabt mit dem Bezirksrat D. Der wollte mich durchaus gewinnen für den Beitritt zur NDPD.

E. Staniek: Und da haben Sie nein gesagt?

Herr Kostyran: Da habe ich nein gesagt. Der wollte mich zum Volkskammerabgeordneten machen und für die NDPD werben, da ich doch keiner Partei angehörte, keiner Blockpartei. Und da habe ich auch klar gesagt, daß ich kein Heuchler bin, daß ich für Politik weniger Interesse habe.

E. Staniek: Und damit war das abgetan?

Herr Kostyran: Das wurde genauso akzeptiert wie vorher. Ich konnte auch nicht verstehen, wie Leute über etwas schimpften und sich erregten, aber dann einen Diener machten vor allen Funktionären, die sie so trafen. Da habe ich gesagt: Ihr seid der Untergang des Sozialismus!

E. Staniek: Ist’s wahr? Haben Sie gesagt: Ihr seid der Untergang des Sozialismus?

 

Das Gespräch endete mit einer lebhaften Debatte über die Absicherung des Alters, Auszeichnungen, Leistungen des Gesundheitswesens und Wendefolgen.

 

E. Staniek: Wie haben Sie sich nun Ihr Alter vorgestellt? War das in der DDR abgesichert?

Frau Kostyran: Ich wollte - mein Mann nicht so - ich wollte ins Altersheim. Mein Mann hat ja das Heim in der Zellestraße mitgebaut - die Fenster. Jetzt haben sie alle herausgerissen, waren noch alle sehr gut. Und da wollt’ ich hingehen. Ich habe gesagt: Den Garten werden wir uns behalten, da können wir auch hinfahren. Im Heim waren welche, die da auch hingefahren sind. Und wenn wir ins Heim kommen, haben wir alles und brauchen keine Angst zu haben, daß uns jemand etwas wegnimmt. Und wenn wir einmal nicht mehr können, da haben sie ein Pflegeheim, auch da werden wir alles haben. Für 105 Mark.

E. Staniek: Und die ärztliche Betreuung?

Frau Kostyran: Das war alles mit bei. Da war eine Frau aus meiner Heimat, die kam schon vor dem Ersten Weltkrieg als Dienstmagd nach Berlin. War sie auch im Altersheim, in der Andreasstraße. Und die war dann so krank, daß sie ins Pflegeheim mußte. Da wurde sie gepflegt und hat auch 105 Mark bezahlt.

E. Staniek: Und nun, nach der Wende?

Frau Kostyran: Ja, nun ist alles hin, is nischt. Die heute sind sowieso anders. Da muß man, solange man noch kann, seine Stube allein aufräumen und kochen und sonstwas. Das brauchte man in der Zellestraße nicht. Und ein bisschen hatten wir gespart gehabt, und wenn es nicht geschmeckt hätte, dann wären wir gegangen ins Restaurant.

E. Staniek: So hatten Sie sich das also vorgestellt. Und nun?

Frau Kostyran: Nun ist’s schlecht. Nun haben sie uns die Hälfte Geld weggenommen. 6.000 Mark haben sie 1 : 1 getauscht und dann 1 : 2, und alles ist teurer! Wir kriegen dreimal soviel Rente wie zu DDR-Zeiten und zehnmal soviel zahlen wir Miete.

E. Staniek: Also, was ist besser?

Frau Kostyran: Muß sich das jeder alleine ausrechnen.

 

E. Staniek: Nun, Herr Kostyran, sind Sie denn für Ihre Arbeit auch ausgezeichnet worden?

Herr Kostyran: Ich habe die silberne Ehrennadel, die goldene Ehrennadel; von der Nationalen Front die silberne; bin Aktivist des Fünfjahrplanes und ausgezeichnet als „Erbauer des Stadtzentrums“.

Frau Kostyran: Er hat gebaut so schön zur 750-Jahr-Feier in der Liebknechtstraße, im Café, und wenn da Besuch aus dem Westen kam, sagten sie „ooh“. Das haben sie alles weggerissen.

E. Staniek: Jetzt sind da Banken drin.

Frau Kostyran: Und da wird schon wieder umgebaut alles!

 

E. Staniek: Ja, nun wollen wir vielleicht zusammenfassen. Wie haben Sie Ihr Leben in der DDR so empfunden?

Frau Kostyran: Ruhig, ruhig und keine Angst und nicht die Sorge, daß man entlassen wird oder daß man, was einem zusteht, nicht kriegt. Man sagte, soviel Rente kriegste und damit mußt du auskommen, und da sind wir auch ausgekommen, vorher konnten wir auch sparen und wenn ... und war eben ruhig.

E. Staniek: Und wie empfinden Sie nun das hier, die Wende? Sind Sie darüber glücklich, daß Sie nun die D-Mark haben?

Herr Kostyran: Im Prinzip haben wir nicht daran geglaubt, daß die Wiedervereinigung mal kommt. Wir wurden so überrascht damit.

Frau Kostyran: Überall muß man schreiben und betteln und schreiben und warten, bis man was zurückbekommt. Früher war das leichter, da brauchte man nicht so viel zu schreiben. Da ging man einfach hin und hat das gesagt, und wenn man nicht konnte, da kam jemand und ...

E. Staniek: Ja, die gesundheitliche Betreuung ...

Frau Kostyran: Das war in der DDR anders. Das war anders. Ich war so schwer krank...

Herr Kostyran: Man kann nicht klagen über die jetzige Gesundheitsversorgung.

Frau Kostyran: Aber so mit einem Krankenhausplatz - da kannst du schon nicht hingehen, wenn du manchmal krank bist, da muß man erstmal warten, da muß man zu allererst anrufen. Am besten die Feuerwehr, die kommen am schnellsten! Und auf den Arzt, da wartet man. Sind ja nicht soviel Bereitschaftsärzte, da muß man warten, bis der kommt. Früher hast du schneller bekommen einen Arzt! Wenn du irgendetwas hast, hast du angerufen und da kamen die. Da brauchtest du nicht erst sehen, ob du Geld hast zu bezahlen, da brauchtest du nicht bezahlen, kein Auto und kein Krankenhaus und kein Garnichts, wenn dich jemand abholen kam ins Krankenhaus. Ja, jetzt mußt du gucken, ob du noch das hast zu bezahlen - und dann die Arzneien!! ...

 

Frau Kostyran beendete ihren von starken Emotionen getragenen Vergleich mit dem Satz:

Also, das kann man überall aufschreiben, weil das ist wahr!

Berichterstatter: Jürgen Schmidt 


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