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Manfred Halling

 Ein Zusammenwachsen mit noch sehr hohen Hürden

 Die Jahre der Wende und danach sind mir im Rückblick als ein ständiges Auf und Ab in Erinnerung. Noch waren die großen Enttäuschungen und Geschehnisse des politischen Umbruchs innerlich kaum verarbeitet, zwang die Entwicklung neue Entscheidungen ab. Aus jahrzehntelanger Tätigkeit als leitender Lokaljournalist bei der Granseer Heimatzeitung war ich 1990 in den sogenannten Vorruhestand geschickt worden und damit aller Verantwortung für die liebgewordene Tätigkeit enthoben. Dabei blieben noch einige Jahre bis zur „ordentlichen“ Rentenzeit ... Doch ich gestehe, ich war auch froh, nicht mehr unter den neuen Herren dienen zu müssen. Die hatten zwar „Toleranz“ gegenüber den „roten“ Mitarbeitern versprochen, aber kaum daß sie im Amt waren, begann allerorts das „Mobbing“. Wie alle Leser erlebte ich den Sinneswandel der Zeitungen. Mitarbeiter stellten über Nacht die Probleme des Lebens ganz aus der Sicht der neuen Herren dar; es schien, als hätten sie ihre Identität flugs gegen eine neue eingetauscht. Es war zu spüren, wie angelesen mancher Kommentar war - man hatte sich eben angepaßt.

Wie immer in Umbruchszeiten schwemmte so manches Trübe aus dem Untergrund nach ganz oben. Mein Vergleich mag zwar wie jeder Vergleich etwas hinken, doch den Kern trifft er gewiß: Was jetzt im Verhalten vieler Menschen zu beobachten war, hatte ich 1945/46 schon einmal erlebt. Die Erinnerungen an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg waren in mir sehr lebendig. Ich weiß noch genau, daß aus so manchen ehemals strammen braunen Mitläufern auf einmal perfekte Antifaschisten wurden, die sogar, wenn auch vorübergehend, manchmal zu Amt und Würden kamen. Leute, die ich, der Schüler, noch als Heimatkrieger in den Uniformen der Nazi-Organisationen erlebt hatte, waren plötzlich schon immer Hitlergegner gewesen. Daran mußte ich oft denken, wenn in Wendezeiten vormals offenbar loyale DDR-Bürger mit neuen Worten und Argumenten um sich warfen. Es wiederholte sich alles.

Das Volk fand für diese Typen das treffende Wort „Wendehälse". Auf jeden Fall eine wichtige Lebenserfahrung: „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing.“

Doch das Leben ging weiter. Den Kopf resignierend in den Sand zu stecken, wäre der Situation nicht angemessen gewesen. Mit gutem Willen und nach besten Kräften versuchten damals viele ehemalige DDR-Bürger, die neue Einheit Deutschlands mitzugestalten und dabei die wirklich guten Erfahrungen aus dem Leben in der DDR einzubringen. Mir ist durchaus eine Aufbruchsstimmung in Erinnerung. Für viele wurde das gute Wort des SPD-Vorsitzenden Willy Brandt: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört!“ zum moralischen Kompaß.

 

Über Aufbauhelfer und einen Besuch im Kreis Kleve

 In unserem Landkreis Gransee (der inzwischen in dem großen Kreis Oberhavel aufgegangen ist) wurden 1990 in den staatlichen Verwaltungen mehrere Hilfsbeamte aus dem Partnerkreis Kleve im Bundesland Nordrhein-Westfalen tätig. Das war gewiß gut und vor allem sehr nötig. Wir lernten sie in manchen öffentlichen Veranstaltungen als freundliche und hilfsbereite Menschen kennen. Ganz natürlich gab es mit ihnen in den einzelnen Bereichen große Reibungen; denn hier trafen ja Systeme aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Ihr Wirken beim Aufbau einer neuen Verwaltung nach bundesdeutschem Recht wurde von den meisten mit Umsicht und ganz ehrlicher Überzeugung gemeistert. Das verdient Dank. Der Aufbau des Sozialamtes oder des Finanzwesens bleibt als Leistung im öffentlichen Gedächtnis. Leider bleibt aber auch in Erinnerung, daß diese Helfer nicht zuhören konnten, besonders nicht, wenn es um wirklich gute DDR-Erfahrungen ging. Da war, wie auf geheime Absprache hin, Sendepause. Der damals gängige Spruch: „Ihr müßt euch eure Biographien erzählen, um euch besser zu verstehen!“ kam nicht zur Anwendung. Nur das galt als unumstößliche Wahrheit, was die Anschlußhelfer verkündeten. Und diese Haltung kam dem gelernten DDR-Bürger so ungemein bekannt vor ... Damals wurde das bis heute leider noch gültige Wort „Besserwessi" geboren.

Eigentlich im Ruhestand und frei von jeder Verpflichtung, blieb ich kritischer Zeitzeuge, der sich nur einmischte, wenn ich manchmal für die Kollegen meiner alten Redaktion Porträts über vorbildliche Bürger schrieb oder aktuelle Umfragen ins Blatt brachte. So entstand damals der Gedanke, den Partnerkreis Kleve zu besuchen und ihn in der Heimatzeitung vorzustellen. Das ließ sich 1992 mit einer schon geplanten Reise an den Niederrhein verbinden. Die drei Tage in der Kreisstadt Kleve und anderen Orten des sehr großen Landkreises erbrachten eine umfangreiche journalistische Ausbeute und mir persönlich gute Erkenntnisse für den Umgang mit Westdeutschen, ein besseres Verstehen ihrer Denkweise. Ich erinnere mich sehr gern an den freundlichen Empfang in der Klever Lokalredaktion der „Rheinischen Post", einer sehr verbreiteten Regionalzeitung. Obwohl avisiert, spürte ich anfangs die Skepsis im Gesicht des Chefredakteurs Alois P., der den so plötzlich aus dem Osten aufgetauchten Journalisten nicht einzuordnen wußte. So gerieten unsere ersten Sätze zu einem Abtasten, alte Vorurteile aus Ost und West hemmten zunächst. Doch dann fanden wir schnell eine gemeinsame Sprache, als ich das Anliegen meines Besuches nannte - auch, als es um konkrete kommunalpolitische Themen in den Zeitungen ging. Vieles war sich sehr ähnlich. Ich nenne nur die erfolgreiche Aktion zum Thema „Schöner unsere Städte und Gemeinden. Mach mit!“, die in unseren Lokalzeitungen immer einen hervorragenden Platz einnahm. Da wurde, fern von Ideologie und Parteipolitik, für die Leser viel über Bürgerfleiß in den Orten aufbereitet. Sie erkannten sich wieder. Chefredakteur P. bezeichnete seine Aktion „Unser Dorf soll schöner werden“ als ständige Aufgabe der Lokalredaktion. Und diese gute, auch sehr ähnliche Losung gilt in Deutschland bis heute.

 

Gespräche unter Kollegen

 Im Verlauf des langen Erfahrungsaustausches hatte der Chefredakteur mit seinem „Pieper“ (Spezial-Handy) alle auf Tour befindlichen Reporter und Redakteure in die Redaktion zurückbeordert. Ich merkte, daß für viele dieser noch jungen Kollegen die DDR eine absolute „terra incognita“ war. Bald durfte ich die Fragen von sieben Mitarbeitern beantworten, die größte Unkenntnis verrieten. Sehr skurril war die Frage, ob ich nicht immer nur über SED-Parteimitglieder geschrieben und das übrige Volk draußen vor gelassen hätte?

Sie wußten es ja nicht besser. Meine Antwort: Das hätte doch den 3 000 Parteimitgliedern im Kreis gar nicht gefallen, immerfort dran zu sein! Und was hätten die übrigen 20 000 Leser getan? Sie hätten die Zeitung abbestellt! Dieser Hinweis auf „ökonomische Zwänge“ wurde von meinen westlichen Zuhörern sofort akzeptiert.

Ohne selbst nachzufragen, erfuhr ich in diesem Gespräch auch einiges über die im Kreis Gransee tätigen Helfer aus Kleve. Ich erzählte von einem jungen Beamten, der als Berater des damaligen Landrates (eines ehemaligen Pfarrers) als „graue Eminenz“ im Hintergrund wirkte und seinem unerfahrenen Chef nicht immer gute Ratschläge gab. Als dessen Name fiel (ich verschweige ihn diskret), gab es schallendes Gelächter. Warum die große Lache? Besagter Beamter hatte, so hörte ich nun, wegen mancher seiner Eskapaden schon im Kreis Kleve das „Privileg“, in der Zeitung des öfteren „angeschossen“ zu werden und „Mode“ zu sein. Nun das Erstaunen, daß ausgerechnet der im Osten aufgetaucht war. Kommentar überflüssig. Wozu manchmal ein Erfahrungsaustausch gut sein kann ...

Auf der kompletten Seite über den Partnerkreis Kleve in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“, Ausgabe Gransee, lese ich heute nach 10 Jahren immer noch mit Bewegung, welche guten Vorsätze es damals gab. Aus dem Interview mit dem damaligen Klever Stellvertreter des Landrates, Albert H. (SPD) möchte ich nur eine Frage und Antwort zitieren.

Frage MAZ: „Wie würden Sie die seit zwei Jahren bestehenden Partnerbeziehungen zwischen Gransee und Kleve bewerten?“

Antwort Albert H.: „Da wäre mehr zu sagen, als in die wenigen Zeilen paßt. Als langjähriger Kommunalpolitiker spürte ich bei unseren 63 Kreistagsabgeordneten noch nie eine solche Einigkeit im Denken und Handeln, wie wenn es um die Hilfe für den Kreis Gransee geht. Beschlüsse zur Unterstützung der Granseer werden stets einstimmig gefaßt, wo sonst bei anderen Tagesordnungspunkten die Fetzen in der politischen Auseinandersetzung nur so fliegen. Ehrlich, wir haben eben bei allen Parteien Übereinstimmung. Das muß einmal gesagt werden, damit die Granseer wissen, wie tief hier in Kleve der Gedanke helfender Partnerschaft inzwischen verwurzelt ist.“

Im Verlaufe des Interviews sagte Albert H. dann ganz konkret, was inhaltlich an Hilfe schon gelaufen war. Da waren u. a.12 gespendete Linienbusse für den Nahverkehr, eine höhere Geldspende für ein Granseer Altenheim sowie umfangreiche Lieferungen von moderner Büroausstattung zu nennen. Die gerade begonnenen Städtepartnerschaften zeitigten schon erste gute Ergebnisse.

 

Wo liegt denn Gransee?

 

Bei einer Umfrage, allerdings in verschiedenen Orten, bei der ich Bürger nach ihrer Kenntnis von einer Partnerschaft befragte, waren die Erwartungen einfach zu hoch. Die meisten fragten erst einmal zurück, wo denn dieses Gransee in den neuen Ländern liege. Nicht einer der Befragten war jemals in der DDR gewesen. In puncto Geographie des Ostens traten Bildungslücken zutage. Doch es wäre gewiß ungerecht, solche Wissenslücken nur einseitig festzustellen. Ein durchschnittlicher DDR-Bürger wußte zumindest damals ebenso wenig über westdeutsche Orte und Landschaften.

Diesen Ausflug im journalistischen Auftrag von 1992 habe ich ausführlich geschildert, um zu zeigen, wie damals von beiden Seiten ein ehrliches Bemühen bestand, die staatliche Einheit auf einem konkreten Territorium zu verwirklichen - eine wichtige Vorstufe für die nötige innere Vereinigung. Der hoffnungsvolle Anfang wurde leider wenig später nach der Bildung der Großkreise im Land Brandenburg ein „Auslaufmodell“. Bis auf die weiterhin bestehende Städtepartnerschaft Geldern im Kreis Kleve und Fürstenberg an der Havel ist nichts von dem geblieben, was damals mit großem Engagement begonnen wurde.

Zu der Zeit etwa war auch die erste Euphorie im privaten und familiären Bereich für gegenseitige Besuche verflogen. Steigende Arbeitslosigkeit belastete die Familien. Und es gab bei den nach der Wende erfolgten Besuchen von Ost nach West einige Erkenntnisse, die so gar nicht in das Bild vom „goldenen Westen“ paßten. Manch enge Familienbeziehung zerbrach, weil die Ossis partout nicht einsehen wollten, daß ihr Staat DDR eine Welt des Bösen gewesen sein sollte. Manche Lüge, die ja kurze Beine hat, holte den Lügner ein, wenn glaubhaft bewiesen wurde, daß diese oder jene Flucht aus der DDR durchaus keinen politischen, sondern einen rein kriminellen Hintergrund hatte. Das habe ich mehrfach in Kreisen der eigenen Verwandtschaft und Bekanntschaft beobachten können. Wie peinlich, seinerzeit finanzielle Entschädigungen für den „Kampf gegen den Kommunismus“ kassiert zu haben und dann durch Zeugen als gewöhnlicher Dieb von Privateigentum entlarvt zu werden!

 

Auf Foto-Safari im Osten

 Nach der geschilderten Zeit der Hilfseinsätze für den Osten begann eine neue Art von Besucherverkehr von West nach Ost. Mit Kameras bewaffnete Fototouristen umschlichen Bauernhäuser und bestimmte Gebäude in den Städten. Man wolle die Stätten der Jugend der Eltern fürs Familienalbum aufnehmen, hieß es. Das war der Beginn der Rückgabe früheren Eigentums an Altbesitzer, die einmal die DDR verließen und sich nie um ihre Häuser gekümmert hatten. Inzwischen im Westen gut entschädigt, waren sie jetzt auf „Schnäppchenjagd“ im Osten. Denn es galt ja der Grundsatz: „Rückgabe vor Entschädigung“. Im Umfeld habe ich mehrere menschliche Tragödien beobachten müssen. DDR-Bürger, die aus ehemaligen Ruinen und mit viel Fleiß und jahrelanger Eigenleistung aus verlassenen Häusern wahre Schmuckstücke gemacht hatten, mußten jetzt räumen. In der örtlichen Presse, wie überhaupt in den Medien, haben diese Vorgänge so gut wie keine Rolle gespielt. Dafür kam verstärkt die Kampagne „In der DDR ist alles Stasi!“ Das Thema war immer gut, wenn solche Vertreibungen anstanden; sie waren ja „rechtens“, geschahen nach Gesetz und Ordnung der BRD.

Bei dieser Rückgabesucht gab es bizarre Auswüchse. So erzählte mir ein befreundeter Bürgermeister aus einer Gemeinde im Kreis, daß ein Rückkehrer, der im Westen nach seiner Flucht aus der DDR mehr als gut entschädigt worden war, jetzt einen besonderen Nachschlag forderte. Per Gerichtsentscheid verlangte er detailliert finanziellen Ausgleich für die „ihm entgangenen Fischerei-Erträge aus seinem Privatsee“ für die Jahrzehnte seiner Abwesenheit. Das war selbst dem hiesigen Gericht zuviel und wurde abgelehnt. Analoge Beispiele gibt es viele.

Erlebnisse und Erkenntnisse dieser Art waren und sind noch immer in ihrer Summe eine der Ursachen, die das aufeinander Zugehen und das gegenseitige Zuhören in keiner Weise befördern - um es höflich auszudrucken. Das Mißtrauen zwischen Ost und West ist vielmehr gewachsen, von Zusammenwachsen durch innere Einheit (Willy Brandt) kann keine Rede sein. Die mentale Mauer ist leider höher geworden.

Dazu trugen auch eine Reihe politischer und „rechtsstaatlicher“ Maßgaben und Aktionen bei, an die hier nur mit Stichworten erinnert werden soll: Der ehemalige Bundesjustizminister Kinkel forderte die Gerichte dazu auf, mit ihren Urteilen über Vergangenes den „Unrechtsstaat DDR“ zu delegitimieren. Die generelle Diskriminierung der DDR wurde legales Prinzip der Rechtssprechung.

Viele der zur Wendezeit noch durchaus angesehenen „Bürgerrechtler“ erwiesen sich in Sachen Zukunftsgestaltung als konzeptionslos, sie erschöpften sich in verbohrtem „Kommunistenhaß“ und in Rachehaltungen für in der DDR erlittenes Unrecht.

Und dann ist da ja noch in Berlin die Behörde mit 3000 Mitarbeitern, der der Expfarrer Gauck seinen Namen gab ...

 

Vierzig Jahre, auf die wir stolz sein können

 Gute Erfahrungen aus der DDR, die es verdient hatten, im vereinten Deutschland ausgewertet und übernommen zu werden, tauchten unvermutet beim Bundestag-Wahlkampf in Ministerreden auf! Vertreter aller Parteien wollten beim Wahlvolk Ost Punkte machen, indem sie positive Erfahrungen der DDR-Bevölkerung benannten. Das, was sie vorher denunziert und nach der Wende gnadenlos demoliert hatten, weil es ja zum kommunistischen „Unrechtsstaat“ DDR gehörte, wurde plötzlich aller Ehren wert: Polikliniken, die Betreuung der Kinder einschließlich der Vorschulerziehung, die landwirtschaftlichen Genossenschaften u. a. m. „Nachtigall, ick hör dir trappsen ...“ Nach der Wahl war keine Rede mehr davon. Oder?

Forscher aller Couleur versuchen wissenschaftlich zu ergründen, warum die von ihnen „Ostalgie“ genannte Protesthaltung vieler ehemaliger DDR-Bürger immer stärker wird, warum es so viele Nichtwähler oder gar PDS-Wähler gibt, warum bei Umfragen die sogenannten „westlichen Werte“ so schlecht wegkommen? Sie rätseln bis heute herum und reden am Kern vorbei.

Trotz mancher bitterer Erinnerungen an das DDR-Leben gedenken viele Ostdeutsche seiner mit Wehmut. Ungeachtet aller sichtbaren materiellen Verbesserungen vermissen sie etwas, was damals ihr bewußtes Leben bestimmte: das sehr hohe Maß an erlebter Solidarität, das Füreinander-Dasein. Keiner fiel ins Bodenlose, auch nicht, wenn er menschlich versagt hatte. Die Abgänger aus unteren Schulklassen hatten sehr wohl ihre Chance, und die aus dem Gefängnis oder gar Zuchthaus Entlassenen erhielten mit staatlicher Hilfe Arbeit, Wohnung und eine neue Bewährungsmöglichkeit ...

Heute leben wir in einer Ellbogengesellschaft, in der Egoismus und Individualismus stets neue Antriebe erfahren und in der maßloser Reichtum bitterer Armut und Ausgegrenztheit gegenübersteht, wobei das eine das andere bedingt. Das gilt im eigenen Lande wie auch weltweit. Alles tanzt um das goldene Kalb; das Geld ist Maß aller Dinge.

In der DDR verhielten sich die Höchsteinkommen zu den Mindesteinkommen etwa wie 5 zu 1. In der BRD ist das Verhältnis etwa 60 zu 1 (Ergebnis der Analyse eines amerikanischen Wissenschaftlers zur Wendezeit).

Ich glaube, daß sich die reale innere Einheit erst bei gleichen Verhältnissen in Ost und West herstellen wird. Dafür sind amtlich 20 weitere Jahre veranschlagt. Das wäre nach 32 Jahren Vereinigung als Staat. Mein jüngster Enkel wäre dann 40 Jahre alt und hätte die Erinnerung an arbeitslose Eltern und viele Verwandte. Wahrlich kein gutes Omen für die nächsten Jahrzehnte.

Das Grunderlebnis meiner und späterer Generationen bleibt, daß nach 1945 die Nazis und Kriegsverbrecher enteignet wurden und eine Entmachtung des Kapitals stattfand. Die hat uns der Westen bis heute nicht verziehen. Deshalb, und nur deshalb, wird mit der DDR abgerechnet, und das gründlich. Es soll niemand mehr auf den Gedanken kommen, Hand an die Eigentumsverhältnisse zu legen, an die großen Konzerne und Banken. In den 40 Jahren DDR hat das Volk trotz ständiger horrender Belastung durch Kalten Krieg, westliches Embargo und Mangel an wirklicher sozialistischer Demokratie Hervorragendes geleistet. Das bleibt unvergessen. Und darin steckt die persönliche Lebensleistung jedes ehemaligen DDR-Bürgers. Darauf dürfen wir berechtigt stolz sein. Keine Propagandawelle, welcher Art auch immer, schafft solche Tatsachen aus der Welt, sie leben im Gedächtnis der Bürger weiter.   


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