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Dreieinigkeit

(Berlin)

 

Mein Mann war damals Werkleiter eines mittleren Betriebes in Weißensee. Da ich noch in Dresden wohnte, machte ich mir bei Bekanntwerden der Berliner Ereignisse natürlich große Sorgen um ihn. Aber als er an einem der nächsten Wochenenden nach Hause kam, hatte er gar nicht viel zu berichten.

Aufgestört von Radio und anderen Medien, waren alle Kollegen seines Betriebes an dem bewußten Tag vor Arbeitsbeginn geschlossen in Richtung Zentrum und Unter den Linden gezogen. Zurück blieben nur er als Werkleiter, der Parteisekretär und der BGLer, um den Betrieb zu schützen. Sie brauchten dies nur bis gegen Mittag zu tun, denn da kam die in den Kampf gezogene Belegschaft etwas kleinmütig, aber geschlossen zurück - verunsichert durch irgendwelche Erlebnisse. Ihre einzige Forderung: die Zeit des Wegbleibens müßte als Arbeitszeit bezahlt werden. Dies wurde in dreifacher Übereinstimmung abgelehnt, denn: „Die BGL hat euch ja nicht auf die Straße geschickt." Dagegen war nun wirklich nichts zu sagen, und das gute Betriebsklima nahm dadurch offenbar auch keinen Schaden. Jedenfalls wurde mein Mann noch nach vielen Jahren in meiner Gegenwart von einer ehemaligen Kollegin stürmisch und freudig begrüßt: „Du warst unser erster Werkleiter mit Herz!" Da war ich richtig stolz auf ihn.

Lilo Tulatz 


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